Dieser Beitrag fasst die Praxis des Bundespatentgerichts zu den Gerichtskosten und Parteientschädigungen zusammen. Er richtet sich an Praktiker, die sich einen schnellen Überblick verschaffen wollen. Er beginnt mit einer statistischen Übersicht der in den Jahren 2017–2021 tatsächlich zugesprochenen Entschädigungen und erhobenen Gerichtsgebühren.
German doctrine and case law on patent infringement by equivalent means has heavily influenced Swiss practice, with one important difference. Similar to the UK Supreme Court’s approach in Actavis v. Eli Lilly, the Swiss Federal Patent Court assesses whether it was obvious to the skilled person that the variant and the claimed feature fulfil the same function from an ex post perspective, i.e., knowing that the feature has been replaced. This contribution to the Festschrift Meier-Beck explains the Swiss approach to determining a patent’s scope of protec-tion and wonders whether it succeeds in striking a balance between fair protection for the patentee and a reasonable degree of certainty for third parties.
Die grundsätzlichen Fragen zum Schutz von Produktformen durch Markenrecht können heute als geklärt betrachtet werden. Dennoch gibt es auch mehr als 25 Jahre nach dem Inkrafttreten des Markenschutzgesetzes noch offene Fragen. Insbesondere gibt es widersprüchliche Rechtsprechung dazu, ob das Interesse, mit einem Primärprodukt kompatible Ersatzteile anzubieten, eine technische Notwendigkeit i.S.v. Art. 2 lit. b MSchG zu begründen vermag. Dieser Beitrag schlägt Antworten auf diese und weitere offene Fragen vor, namentlich nach den für die Prüfung nach Art. 2 lit. b MSchG relevanten Produkten, der Anzahl der verfügbaren alternativen Formen, damit keine technische Notwendigkeit gegeben ist, und der Beweislast für das Vorhandensein zumutbarer alternativer Formen.
Beachten Sie, dass das Bundesgericht in BGE 147 III 517 die offenen Fragen teilweise beantwortet hat.
The merits of using subjective probability theory as a normative standard for evidence evaluation by legal fact-finders have been hotly debated for decades. Critics argue that formal mathematical models only lead to an apparent precision that obfuscates the ad-hoc nature of the many assumptions that underlie the model. Proponents of using subjective probability theory as normative standard for legal decision makers, specifically proponents of using Bayesian networks as decision aids in complex evaluations of evidence, must show that formal models have tangible benefits over the more natural, holistic assessment of evidence by explanatory coherence. This paper demonstrates that the assessment of evidence using a Bayesian network parametrized with values obtained from the decision makers greatly reduces role-induced bias, a bias that has been largely resistant to de-biasing attempts so far. This shows that using Bayesian networks as decision aids can benefit legal decision making.
There are two main models of criminal prosecution in the western world. One tasks an independent magistrate (the examining judge) with the duty of conducting the investigation of a given case and transferring all evidence collected to the parties and the trial court. The other vests the prosecution with the task of conducting the investigation before representing the accusation in court. In 2011, a new code of criminal procedure entered into force in Switzerland, forcing most Swiss cantons to transition from the first model to the second. We investigate whether the change in the person conducting the investigation (from examining judge to prosecutor) could introduce or exacerbate bias against or in favor of the defendant. Through an empirical study carried out with students, we tried to determine whether this change might affect the fairness of the proceedings. We contend that the rights of the defense are better safeguarded in the first model than in the second, even if the contrast is not as stark as was initially predicted.
Vergleichsverhandlungen unter Leitung des Gerichts oder einer Gerichtsdelegation gehören an vielen schweizerischen Zivilgerichten zum Alltag. Gesetzlich sind Zeitpunkt und Ablauf dieser Verhandlungen kaum geregelt. Die vorliegende Untersuchung beleuchtet durch eine Umfrage, an der 56 Gerichtspersonen aus 16 Kantonen teilgenommen haben, die Rechtswirklichkeit der gerichtlichen Vergleichsverhandlung in der Schweiz.
Art. 157 ZPO hat einen normativen Gehalt, der über die blosse Willkürfreiheit der Beweiswürdigung hinausgeht. Verlangt wird eine rationale, nachvollziehbare, intersubjektiv überprüfbare («auf objektiven Kriterien beruhende») Bewertung der Beweismittel, die Denkgesetze und Erfahrungssätze nicht verletzen darf. Art. 157 ZPO stellt daher Anforderungen an den Prozess der Beweiswürdigung auf, die unabhängig vom Ergebnis der Beweiswürdigung – den Sachverhaltsfeststellungen – eingehalten oder missachtet werden können. Ob die Beweise entsprechend den Anforderungen von Art. 157 ZPO gewürdigt wurden, ist eine Rechtsfrage und kann vom Bundesgericht im Verfahren der zivilrechtlichen Beschwerde trotz der grundsätzlichen Bindung an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz mit freier Kognition überprüft werden, denn Sachverhaltsfeststellungen, die auf einer Rechtsverletzung beruhen, sind für das Bundesgericht unabhängig davon, ob sie «offensichtlich unrichtig» sind, unverbindlich (Art. 97 Abs. 1, 105 Abs. 2 BGG).
(gekürzter Nachdruck in der Anwaltsrevue 2016/8, 330-338, mit dem Titel “Zunehmende Aussichtslosigkeit von Rechtmitteln vor Bundesgericht”)
Die Verfahrensdauer am Bundesgericht hat sich trotz stark steigender Geschäftslast in den letzten 50 Jahren nicht erhöht. Jedoch hat sich einerseits die Entscheidungsfindung zu den Gerichtsschreibern und zu den Referenten hin verschoben. Andererseits ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine zivilrechtliche Berufung gutgeheissen wird, um rund ein Drittel von 18% auf 13% gesunken und gleichzeitig ist der Anteil der Rechtsmittel, auf die nicht eingetreten wird, stark gestiegen. Letzterer Trend hat sich nach dem In-Kraft-Treten des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) noch verstärkt. Der Anteil an Rechtsmittel in Zivilsachen, auf die nicht eingetreten wird, ist unter dem BGG von 29% auf 44% gestiegen. Dies deutet darauf hin, dass das Bundesgericht die formellen Eintretensvoraussetzungen zunehmend verschärft.
Unlike common law, Continental European civil law does not strictly distinguish between the standards of proof applicable in civil and criminal matters, respectively. In civil law countries such as Germany and Switzerland, judges are supposed to use the same (high) standard of ‘full conviction’ in both criminal and civil cases. This study is the first to look at the standard of proof actually usedby judges and judicial clerks in a civil law country (Switzerland). It is shown that the standard actually used differs from the one normatively prescribed. No difference between the estimated decision threshold for members of the courts and members of the general population is found. The results suggest that the standard of proof actually employed by judges of a civil law system is not much different from the common law’s ‘preponderance of the evidence’ standard, despite the doctrinal insistence to the contrary.
Verschulden und Bösgläubigkeit sind von zentraler Bedeutung für die finanziellen Ansprüche des Schutzrechtsinhabers aus der Verletzung seiner immaterialgüterrechtlichen Schutzrechte. Die Rechtsprechung zum zivilrechtlichen Verschulden der Verletzer von Immaterialgüterrechten ist in der Schweiz jedoch spärlich. Der Beitrag bettet die vorhandene Rechtsprechung in die dogmatischen Grundlagen ein und würdigt die in der Lehre vertretenen Auffassungen kritisch. Ein besonderes Augenmerk gilt den Fragen, wann sich der Verletzer entschuldigend auf seine Unkenntnis des Schutzrechts berufen kann und ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen die vorgängige Einholung eines Gutachtens durch eine Fachperson zu entschuldigen vermag.
Der Beitrag setzt die von Laurent Bieri angestossene Diskussion über die Auswirkungen der Kostenerstattungspflicht für die Kosten des Schlichtungsverfahrens auf die Vergleichsbereitschaft der Parteien fort. Empirische Studien kommen zu weniger eindeutigen Ergebnissen, als das theoretische Modell von Shavell vermuten liesse. Eine wichtige Erkenntnis aus dem Bundesgerichtsurteil vom 23. Januar 2015 ist, dass sich empirische und normative Fragen häufig nicht so klar trennen lassen, wie dies die Rechtswissenschaft herkömmlicherweise annimmt. Empirische Forschung sollte daher vermehrt auch bei der Gesetzesauslegung berücksichtigt werden.
Ungerechtfertigte Betreibungen können für den Betroffenen nachteilige Folgen haben, weil sie auch dann im Betreibungsregisterauszug erscheinen, wenn sie vom Gläubiger nicht weiterverfolgt werden. Ein Gesetzesvorschlag zur Revision des SchKG will Abhilfe schaffen. Aufgrund schematischer Kriterien sollen bestimmte Betreibungen vom Einsichtsrecht ausgeschlossen werden. Die Autoren bezweifeln, dass dieser Vorschlag den Informationsgehalt des Betreibungsregisters verbessert. Sie schlagen stattdessen vor, den Anwendungsbereich der Klage nach Art. 85 SchKG so zu erweitern, dass ungerechtfertigte Betreibungen aufgehoben werden können, ohne dass der Betriebene ein hohes Kostenrisiko trägt.
Dieser Beitrag vertritt die These, dass das Beweismass der Glaubhaftmachung ein flexibles Beweismass ist, wobei die Entscheidungsgrenze im Einzelfall unter Berücksichtigung der Fehlerkosten der Entscheidung bestimmt werden muss. Diese Auffassung ergibt sich aus der Anwendung entscheidungstheoretischer Grundsätze auf richterliche Entscheidungen unter Unsicherheit. Sie begründet keine radikale Abkehr von der bisherigen Praxis, sondern vermag diese auf ein einfaches Prinzip zurückzuführen und so zu erklären. Eine Folge dieser Ansicht ist, dass die Anforderungen an die Glaubhaftmachung bei der Anordnung einer Leistungsmassnahme im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes höher sind als bei der Anordnung einer Sicherungsmassnahme oder einer vorsorglichen Beweisabnahme. Die These führt auch zur Erkenntnis, dass eine Tatsachenbehauptung glaubhaft sein kann, obwohl sie nach richterlicher Überzeugung eher nicht der Fall ist, und tritt so der Meinung entgegen, eine Behauptung könne nur glaubhaft sein, wenn sie mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 50% der Fall ist.
The Swiss IPO – the Institute for Intellectual Property (IIP) – is notoriously strict regarding applications for trade marks containing geographical terms. This article will try to shed light on some peculiarities of the Swiss practice, and shows how an objection can potentially be overcome, specifi cally regarding geographical indications and the presumption of understanding geographical terms as geographical indications
In his recent contribution “Neglect the Base Rate: It’s the law!” (http://ssrn.com/abstract=2192423), Prof. Engel makes the point that the law forbids making group-to-individual inferences based on the relative frequency of a property of interest in a reference class (the “base rate”), unless the members of the reference class were “acting in concert” or the base rate information serves as exculpating, rather than inculpating, evidence in criminal cases. While making his argument, Prof. Engel also criticizes a “Bayesian” approach to evidence evaluation, i.e. an approach that posits that the partial beliefs of judges should conform to the axioms of probability theory, suggesting that it leads to conclusions which are incompatible with substantive law. Prof. Engel develops his arguments based on a series of examples. In this response, I purport to show that, i) subjective probability theory does not lead to solutions of the problems presented by Prof. Engel that are contrary to substantive law; and, ii) the law does not generally prohibit the use of base rate information where it admits other relevant evidence. In fact, the law does not say much about the use of base rate information at all, because it is hardly ever directly relevant outside the world of hypothetical cases of legal scholars. On the other hand, base rate information can be epistemically useful, and a blanket prohibition cannot be read from the law.
Fact finders in legal trials often need to evaluate a mass of weak, contradictory and ambiguous evidence. There are two general ways to accomplish this task: by holistically forming a coherent mental representation of the case, or by atomistically assessing the probative value of each item of evidence and integrating the values according to an algorithm. Parallel constraint satisfaction models of cognitive coherence posit that a coherent mental representation is created by discounting contradicting evidence, inflating supporting evidence and interpreting ambivalent evidence in a way coherent with the emerging decision. This leads to inflated support for whichever hypothesis the fact finder accepts as true. Using a Bayesian network to model the direct dependencies between the evidence, the intermediate hypotheses and the main hypothesis, parameterised with (conditional) subjective probabilities elicited from the subjects, I demonstrate experimentally how an atomistic evaluation of evidence leads to a convergence of the computed posterior degrees of belief in the guilt of the defendant of those who convict and those who acquit. The atomistic evaluation preserves the inherent uncertainty that largely disappears in a holistic evaluation. Since the fact finders’ posterior degree of belief in the guilt of the defendant is the relevant standard of proof in many legal systems, this result implies that using an atomistic evaluation of evidence, the threshold level of posterior belief in guilt required for a conviction may often not be reached.
Während man sich einig ist, dass die beweisbelastete Partei ihre Tatsachenbehauptungen „substanziiert“ aufstellen muss, besteht keine Einigkeit darüber, weshalb die beweisbelastete Partei über die blosse Behauptungslast hinaus eine Last zur Detaillierung ihres Sachvortrages trifft. In Lehre und Rechtsprechung werden verschiedene Zwecke der Substanziierung genannt, namentlich die Ermöglichung des Beweisverfahrens, die Wahrung der Verteidigungsrechte des Beklagten, die Verhinderung des Ausforschungsbeweises und die Plausibilitätsprüfung des Sachvortrags. In diesem Aufsatz wird die These vertreten, dass sich nur durch teleologische Überlegungen begründen lässt, weshalb ein Sachvortrag den Anforderungen an die Substanziierung nicht genügt. Da die verschiedenen Zwecke der Substanziierung zu unterschiedlichen Anforderungen an das Mass der Detailgenauigkeit des Sachvortrags führen, muss man zuerst klären, welche Zwecke gerechtfertigt sind. Es zeigt sich, dass insbesondere die höchstrichterliche Rechtsprechung in Deutschland teilweise zu anderen Resultaten als das Bundesgericht gelangt.
Am 1. Januar 2012 hat das neue Bundespatentgericht seinen Betrieb aufgenommen und zwischenzeitlich auch bereits erste Urteile gefällt. Für Patentverletzungs- und Patentnichtigkeitsklagen ist es ausschliesslich zuständig. An das neue Gericht werden von Gesetzgeber und der Gemeinschaft der Immaterialgüterrechtsinteressierten hohe Erwartungen gestellt, was die Qualität, Geschwindigkeit und Kostengünstigkeit der Rechtsprechung anbelangt. Im Beitrag wird kurz dargestellt, inwiefern das neue Gericht gerüstet ist, die in es gesetzten Hoffnungen zu erfüllen.
Der Beitrag geht der Frage nach, ob und wie unterzeichnete schriftliche Aussagen eines Zeugen, die Aufschluss über tatsächliche Verhältnisse geben und im Hinblick auf einen Zivilprozess abgegeben wurden («witness statements»), als Beweismittel unter der schweizerischen ZPO gewürdigt werden können. Er kommt zum Schluss, dass solche schriftlichen Zeugenaussagen unter den Begriff der Urkunde im Sinne von Art.177 ZPO fallen und als solche gewürdigt werden können. Ihre praktische Bedeutung haben sie im Massnahmeverfahren, bei welchem die Einvernahme von Zeugen grundsätzlich ausgeschlossen ist. Dort, Glaubwürdigkeit ihres Ausstellers vorausgesetzt, können sie geeignet sein, zusammen mit anderen Beweismitteln einen Sachverhalt glaubhaft zu machen.
In diesem Aufsatz sollen die Voraussetzungen, die Schranken und das Verfahren des Anspruchs auf vorsorgliche Beweisabnahme gemäss Art. 158 ZPO erläutert werden. Vorab wird kurz auf die bisherige kantonale Rechtslage und die Gesetzgebungsgeschichte von Art. 158 ZPO eingegangen. Ein spezielles Augenmerk gilt dem neuen Anspruch auf genaue Beschreibung gemäss Art. 77 Patentgesetz (PatG, SR 232.14) in der Fassung, wie sie mit vollständigem In-Kraft-Treten des Patentgerichtsgesetzes(PatGG, SR 173.41) gilt. Dieser Anspruch ist der «saisie contrefaçon» in der Form der «saisie description» im romanischen Prozessrecht nachgebildet und stellt ein Novum im schweizerischen Prozessrecht dar.
Mit dem vollständigen Inkrafttreten des Patentgerichtsgesetzes wird Art. 77 PatG dahingehend geändert, dass der Patentinhaber eine genaue Beschreibung des angeblich verletzenden Erzeugnisses oder Verfahrens auch ohne Glaubhaftmachung eines nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteils verlangen kann. Die neue genaue Beschreibung ist der «saisie description» des französischen Rechts nachempfunden, unterscheidet sich von dieser aber auch in einigen Kernpunkten. Da mit der genauen Beschreibung, zusammen mit den Vorschriften zur vorsorglichen Beweisabnahme der schweizerischen Zivilprozessordnung, eine Möglichkeit geschaffen wird, vorprozessual Beweise zu beschaffen und die Prozessaussichten abzuklären, dürfte die Bestimmung eine erhebliche praktische Bedeutung erlangen. Der Aufsatz zeigt die Anwendungsvoraussetzungen und Schranken des neuen Anspruchs auf genaue Beschreibung gemäss Art. 77 PatG. Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf die schwierige Abwägung des Informationsinteresses des Patentinhabers und der berechtigten Geheimhaltungsinteressen des angeblichen Verletzers geworfen und versucht, eine praktikable Lösung, die beiden Interessen gerecht wird, aufzuzeigen
Die Verwirkung patentrechtlicher Ansprüche hat bisher in der schweizerischen Rechtsprechung kaum eine Rolle gespielt. Im letzten Jahr haben sich nun gerade zwei publizierte Urteile mit ihr befasst, darunter erstmals ein Bundesgerichtsurteil. Es bildet Anlass zur vertieften Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen der Verwirkung patentrechtlicher Ansprüche und insbesondere dazu, die Unterschiede zur besser verstandenen Verwirkung kennzeichenrechtlicher Ansprüche herauszuarbeiten.
Richter können gerade bei der Beweiswürdigung auf ihre Intuition nicht verzichten. Oft ist diese auch richtig. Menschen machen jedoch auch ganz bestimmte, identifizierbare Fehler, wenn sie rein intuitiv entscheiden. Nur wenn das anstrengende, langsame, regelbasierte analytische Denken eingreift und den Fehler korrigiert, können Fehlurteile vermieden werden. Aufbauend auf Erkenntnissen der empirischen Psychologie zeigt der Aufsatz, welche typischen Fehler aus unreflektierten intuitiven Entscheidungen entstehen können und legt dar, welche Umstände das Eingreifen des korrigierenden analytischen Systems fördern.
Das 5-jährige «Jubiläum» des Inkrafttretens des SWITCH-Streitbeilegungsverfahrens gibt Anlass, die bisherige Rechtsprechung der WIPO-Experten – es sind bisher 67 Streitigkeiten unter dem SWITCH-Streitbeilegungsverfahren entschieden worden – kritisch zu würdigen.
«Das musste ja schief gehen» – wie oft haben wir dieses Gefühl. Psychologische Forschung zeigt aber, dass es tatsächlich nur ein Gefühl ist. Hätten wir selber an der Stelle des Handelnden entscheiden müssen, hätten wir es auch nicht besser gewusst. Der Aufsatz fasst die psychologische Forschung zum «Rückschaufehler» (hindsight bias) kurz zusammen und legt dar, wie der Fehler juristische Urteile beeinträchtigen kann. Der Autor zeigt, wie der Einfluss des Rückschaufehlers zumindest in Haftpflichtprozessen verringert werden kann.
Das Bundesgericht kennt kein Pardon für Raser. Trotzdem: Sie wegen eventualvorsätzlicher statt fahrlässiger Tötung zu langen Zuchthausstrafen zu verurteilen, ist juristisch nicht begründbar. Es sei denn unter dem Aspekt der Sühne. Die Verkehrssicherheit verbessern hohe Strafen nicht. Viel wirksamer sind verstärkte Verkehrskontrollen.
Der Bestätigungsfehler – oder die Bestätigungstendenz – ist die Neigung, eine vorgefasste Meinung beizubehalten und eine korrespondierende Abneigung, sie zugunsten einer neuen Überzeugung aufzugeben. Eine Hypothese kann vorschnell bestätigt werden, wenn man von vorneherein nur nach bestätigenden Informationen sucht, wenn man ambivalente Informationen, die sowohl für wie gegen die Hypothese sprechen können, konsequent als bestätigend auffasst, oder schliesslich, wenn man zwar bestätigende wie nichtbestätigende Indizien beachtet, die nichtbestätigendenen Indizien aber ungenügend gewichtet. Der Artikel stellt die psychologische Forschung zu Bestätigungstendenzen kurz dar und erläutert, wie sie sich im richterlichen Alltag auswirken können. Erwähnt wird auch, wie man Bestätigungsfehler vermeiden kann.
Juristische Urteile sollten durch (mehr oder weniger) explizite Normen bestimmt sein. Sie treffen nicht den Entscheidenden, sondern Dritte. Sind sie kontextabhängig, so ist das problematisch. Ob jemand verwahrt wird, sollte davon abhängen, ob von ihm eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ausgeht, die nicht durch andere Massnahmen verhindert werden kann (Art. 59, 64 Abs. 1 Vorentwurf). Der Entscheid für eine ordentliche Verwahrung sollte nicht davon beeinflusst werden, ob die Möglichkeit der lebenslänglichen Verwahrung ebenfalls zur Auswahl steht, wenn der Täter eine besonders schwere Anlasstat begangen hat und «im Vergleich zu anderen Tätern solcher Delikte eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass er ein weiteres Verbrechen dieser Art begeht, und der Täter aufgrund besonderer Persönlichkeitsmerkmale als dauerhaft nicht therapierbar eingestuft wird» (Art. 64 Abs. 1ter lit. a und b Vorentwurf). Kontrast- und Kompromisseffekt legen aber nahe, dass eine solche Beeinflussung erfolgt. Durch die Einführung einer weiteren, scheinbar klar abgegrenzten, Kategorie werden nicht nur die Fälle geregelt, die in diese Kategorie fallen. Es verschiebt sich auch das Verhältnis der bisherigen Kategorien – ohne dass die formellen Abgrenzungskriterien verändert würden. Dies gilt selbst dann, wenn die neue Kategorie kaum je angewandt wird. Dass das neue Institut der lebenslänglichen Verwahrung möglicherweise kaum angewandt werden wird, ändert daher nichts daran, dass sich die Zahl der ordentlichen Verwahrungen erhöhen und die Einführung der lebenslänglichen Verwahrung praktische Auswirkungen haben wird.
Patienten können die Verweigerung der Zulassung eines Arzneimittels anfechten, wenn sie an der Krankheit leiden oder voraussichtlich in Zukunft leiden werden, für deren Behandlung um Zulassung des Medikaments ersucht wurde. Sie haben ein schutzwürdiges Interesse daran, dass ein Arzneimittel, das Linderung oder Heilung ihrer Krankheit verspricht, zugelassen wird und sind von der Verweigerung der Zulassung stärker betroffen als die Allgemeinheit. Unter den üblichen Voraussetzungen der egoistischen Verbandsbeschwerde sind auch Patientenvereinigungen mit juristischer Persönlichkeit zur Beschwerde befugt, wenn eine grosse Anzahl ihrer Mitglieder selber beschwerdeberechtigt ist. Konkurrenten, d.h. Arzneimittelhersteller oder -vertreiber, sind nach richtiger Auffassung zur Beschwerde gegen drittbegünstigende Zulassungsverfügungen legitimiert, wenn sie durch die Zulassung einen persönlichen Nachteil erleiden, weil der Konkurrent durch die Nichteinhaltung der Verfahrens- oder Produktvorschriften Kosten spart und daher einen Konkurrenzvorteil erlangt. Selbst wenn man jedoch die restriktive bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Konkurrentenbeschwerde nicht in Frage stellt, sind Konkurrenten zur Beschwerde befugt, soweit sie die Verletzung von Normen geltend machen, die den Schutz ihrer privaten Interessen bezwecken. Die Heilmittelgesetzgebung enthält Normen, die den Schutz berechtigter Interessen Dritter bezwecken. Insbesondere die Vorschriften über die Berücksichtigung des Patentschutzes bei Parallelimporten (Art. 14 Abs. 2 HMG) und den Erstanmelderschutz (Art. 12 HMG) bezwecken nicht den Schutz des Publikums, sondern denjenigen des Erstanmelders bzw. des Patentinhabers. Soweit der Erstanmelder bzw. der Patentinhaber eine Verletzung dieser Normen geltend macht, ist er daher zur Beschwerde gegen die Zulassungsverfügung, die einen Dritten begünstigt, berechtigt. Ebenso kann ein Generikahersteller eine Zulassungsverfügung anfechten, wenn darin einem Gesuchsteller der Erstanmelderschutz zu Unrecht oder übermässig lange gewährt wurde. Patienten, die an einer seltenen Krankheit leiden, haben ein schutzwürdiges Interesse daran, dass ein Arzneimittel, das Linderung oder Heilung ihrer Krankheit verspricht, zugelassen wird. Sie sind von der Verweigerung der Zulassung stärker betroffen als die Allgemeinheit und daher berechtigt, die Verweigerung der Zulassung eines solchen Arzneimittels anzufechten.
Die von Amos Tversky und dem Wirtschafts-Nobelpreisträger Daniel Kahneman entwickelte Prospect Theory beschreibt das menschliche Risikoverhalten. Die Prospect Theory sagt voraus, dass sich Beklagte zu ihrem Schaden risikogeneigt verhalten. Der Artikel fasst empirische Forschung und Daten zusammen, die diese Voraussage bestätigen. Beklagte müssen daher mehr als Kläger zum Abschluss eines Vergleichs ermutigt werden. Wenn aber Richterinnen und Richter dem gleichen Darstellungseffekt (framing) wie die Parteien unterliegen, ist das Gegenteil zu erwarten. Der Autor stellt die Ergebnisse einer Umfrage vor, an der 181 Richterinnen und Richter der Kantone Aargau, St. Gallen und Zürich teilgenommen haben.
Die Verwendung von Marken eines Anderen in der eigenen Werbung kann eine Markenrechtsverletzung sein. Sie ist aber zulässig, wenn, wie bei Parallelimporten, das Markenrecht erschöpft ist (CH: irgendwo auf der Welt, DE: innerhalb der EU). Marken dürfen auch verwendet werden, wenn die Benutzung nicht kennzeichenmässig erfolgt, sondern z.B. beschreibend, dekorativ oder im Rahmen einer zulässigen vergleichenden Werbung erfolgt. Die Grenzziehung ist oft heikel, wie die im Text beschriebenen Beispiele zeigen.
Die psychologische Forschung zu Entscheidungen unter Unsicherheit hat verschiedene sogenannte «Urteilsheuristiken» – d.h. Faustregeln, die komplexe Urteile vereinfachen – identifiziert. Für die Anwendung dieser psychologischen Erkenntnisse auf wirtschaftliche Sachverhalte hat Daniel Kahneman 2002 den Nobelpreis für Wirtschaft erhalten. Der Artikel untersucht den Einfluss des sogenannten Ankereffekts, der Assimilation eines numerischen Urteils an einen vorgegebenen Vergleichsstandard, auf den Ausgang von Verhandlungen und Gerichtsverfahren und erläutert, wie der Ankereffekt strategisch eingesetzt werden kann.